Buchladen Rote Straße

Der Buchladen Rote Straße in Göttingen ist nicht nur eine Buchhandlung, sondern ein Stück gelebter linker Geschichte. 1972 gegründet, gehört er zu den ältesten linken Buchhandlungen Deutschlands. Ursprünglich in der Roten Straße ansässig, zog der Laden 1997 in die Räumlichkeiten am Nikolaikirchhof 7, behielt aber seinen ikonischen Namen. Seit über 50 Jahren ist er ein Treffpunkt für Menschen, die sich für gesellschaftskritische Themen, linke Theorie und soziale Bewegungen interessieren.

Geschichte und Hintergrund

Der Buchladen entstand im Kontext der Studentenbewegung der späten 1960er und frühen 1970er Jahre. Während der maoistisch geprägte „PoliBula“ (Politische Buchhandlung) in Göttingen vom Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) dominiert wurde, entschieden sich Aktivisten aus dem Umfeld des Sozialistischen Studentenbundes (SDS) und der Göttinger Studentenzeitschrift Politikon, eine alternative Buchhandlung zu gründen. Am 9. Oktober 1972 öffnete der Buchladen Rote Straße seine Türen – einen Tag später als geplant, da die ursprüngliche Eröffnung auf einen Sonntag fiel.

In den Anfangsjahren war der Betrieb von Enthusiasmus und ehrenamtlichem Engagement geprägt. Das Kollektiv, bestehend aus fünf bis sechs Personen, richtete das Ladenlokal mit improvisierten Mitteln her: selbstgezimmerte Regale, Eierpappen als Wandverkleidung und ein Ölofen für die Beheizung. Trotz Angriffe von Rechtsradikalen, die in den 1970er Jahren mehrfach Schaufenster zerstörten, etablierte sich der Buchladen als wichtiger Ort für politische Bildung und Diskussion. Über die Jahre entwickelte sich das Sortiment weiter, etwa durch die Aufnahme von politischen Krimis wie denen von Sjöwall und Wahlöö oder feministischer Literatur wie Svende Merians Der Tod des Märchenprinzen.

Sortiment und Genres

Der Buchladen Rote Straße steht unter dem Motto „klein, aber fein“ und unterscheidet sich durch ein sorgfältig kuratiertes Angebot von anderen Buchhandlungen. Der Fokus liegt auf gesellschaftskritischen und politischen Themen. Zu den Schwerpunkten gehören:

• Linke Theorie und Kritische Theorie: Werke zu Marxismus, Anarchismus und sozialen Bewegungen.
• Feminismus und Queerness: Literatur zu Geschlechterfragen, LGBTIQA+ und Identität, wie das preisgekrönte Buch, das 2023 den Deutschen Jugendliteraturpreis gewann.
• Antirassismus und Migration: Bücher, die sich mit Rassismus, Migration und interkulturellen Themen auseinandersetzen.
• Nationalsozialismus und seine Rezeption: Historische und zeitgenössische Analysen.
• Globalisierung und Antiglobalisierungsbewegung: Texte zu ökonomischen und sozialen Aspekten globaler Entwicklungen.
• Belletristik und Krimis: Ausgewählte Werke aus verschiedenen Ländern, oft mit gesellschaftskritischem Anspruch.
• Kritische Zeitschriften und Zeitungen: Eine breite Auswahl an alternativen Medien, die vor Ort gelesen oder gekauft werden können.

Zusätzlich führt der Buchladen Bücher und CDs der Büchergilde Gutenberg, einer Verlagsgenossenschaft mit Sitz in Frankfurt am Main, mit der eine Kooperation besteht. Mitglieder der Büchergilde können hier exklusive Ausgaben erwerben.

Besonderheiten und Engagement

Der Buchladen wird von einem engagierten Kollektiv betrieben, das nicht nur Bücher verkauft, sondern auch Raum für politische und kulturelle Veranstaltungen bietet. Regelmäßig finden Lesungen statt, wie etwa zu queeren Themen im Rahmen der Göttinger Queeren Kulturetage oder zu antifaschistischen Themen in Zusammenarbeit mit dem Antifaschistischen Bildungszentrum und Archiv Göttingen. Büchertische werden für Veranstaltungen zusammengestellt, und der Laden dient als Verteilstelle für Flugblätter, Plakate und Informationsmaterial.

Besucher können bei einem Kaffee oder Tee Zeitungen lesen, was die Buchhandlung zu einem Ort des Austauschs macht. Bücherbestellungen sind bequem per Webshop, Telefon oder vor Ort möglich, wobei die meisten Titel bereits am nächsten Tag verfügbar sind. Der Versand erfolgt mit Rechnung per Post.

Fazit

Der Buchladen Rote Straße ist mehr als eine Buchhandlung – er ist ein kultureller und politischer Raum, der seit über fünf Jahrzehnten die intellektuelle Landschaft Göttingens prägt. Mit seinem Fokus auf gesellschaftskritische Literatur, einem engagierten Kollektiv und einer lebendigen Veranstaltungskultur bleibt er ein einzigartiger Ort für alle, die sich für progressive Ideen und kritischen Diskurs interessieren.

Quellen:

• Website des Buchladens Rote Straße
• taz-Artikel: 50 Jahre Buchladen Rote Straße
• Büchergilde Kooperation